Adlerschützen sind stolz auf Nachwuchstalent Andi Rohse
Artikel aus der Chamer Zeitung vom 1. Oktober 2022. Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis der Mediengruppe Attenkofer. Autor / Interview: Sonja Seidl
Andi Rohse zieht das rote Stirnband über und klappt die Blende runter. So muss er beim Zielen das Augen nicht zusammenkneifen. „Andreas, einmal Sicherheit !“, weist ihn Daniel Kulzer an. Der Elfjährige zieht eine Schnur in seine Luftpistole. Heißt: Da ist keine Kugel drin. Die Tür der Schießanlage im Vereinsheim ist zu, und Rohse ist alleine mit der Aufsicht. Es kann losgehen.
Seit zwei Jahren ist Rohse Mitglied der Adlerschützen Willmering. Oft kommt der Nachwuchs aus den Familien der Vereinsmitglieder oder über Schulfreunde. Auch bei ihm war es so. Vater Martin Rohse ist seit 1989 aktiver Schütze, der große Bruder ist dabei und hat ihn irgendwann mitgenommen. „Einer nach dem anderen hat es ausprobiert“, freut sich der Vater, selbst Schriftführer.
Halten, konzentrieren, schießen – ich mag’s
Andi Rohse im Interview
Beim Sohn ist der Funke gleich übergesprungen. Bei den Schützen auch. Zwar war Corona-bedingt erst wenig möglich, doch vergangenes Frühjahr hat man sich Zeit genommen und festgestellt: Da geht was. „Halten, konzentrieren, schießen – ich mag das“, sagt Andi Rohse. Und er tut sich leicht, wie sich im Sommer zeigt. Beim Schießabend im August besiegt er die Erwachsenen mit der Luftpistole.
Für gewöhnlich fangen die Jüngsten – los geht’s mit zehn Jahren – mit dem Lasergewehr an. Bei Andi Rohse aber war schnell klar, dass er auf die Laserpistole umsteigen wird und dass bald die Luftpistole folgt. Letztere ist erst ab zwölf erlaubt. Ausnahmen werden beim Landratsamt beantragt – ein Check beim Kinderarzt gehört auch dazu.
Die Pistole hat ihre Vorteile. „Die Fortschritte nach oben sind leichter, die Konkurrenz ist nicht so groß und die Ausstattung nicht so umfangreich wie bei den Gewehrschützen“, erklärt Daniel Kulzer, Vorsitzender und Jugendleiter in einem. Kulzer hat den Schützennachwuchs im Blick und weiß: „Am Anfang machen alle erstmal Zielfehler.“ Die Basics – Zielen lernen, Kimme, Korn, Sicherheit am Stand, das Zurechtfinden – wollen erst gelernt werden. Bei Rohse hat das schnell geklappt. Dabei schießt der Elfjährige mit einer Pistole des Chamer Schützengaus. Die ist kleiner, leichter und für Schüler geeignet, während die Vereinspistolen eher für Erwachsene gedacht sind. „Feinwerkbau P11 ohne Rückstoßdämpfer, mit langer Kartusche, damit sie langsam schwerer gemacht werden kann“, nennt Kulzer Details zu Rohses Modell.
Der Jugendleiter feilt persönlich am Griff
Die Pistole allein ist es aber nicht. „Ein sehr guter Luftpistolenschütze braucht einen handgeformten Griff“, sagt der Jugendleiter. Und den macht Kulzer selber. Wie man Griffe anpasst, hat er in einem Zwei-Tages-Kurs gelernt. Für Rohses Pistolengriff hat er den Rohling selbst gemacht, aufgebaut und geschnitzt. Weil der Elfjährige aber weiter wächst, muss Kulzer auch weiter feilen. Im November wird außerdem zur P44 gewechselt, mit der auch der Vater schießt. „Der Bub hat Kraft bekommen“, hat Kulzer festgestellt. Je schwerer die Pistole, desto besser liegt sie in der Hand. Ideal, denn für nächstes Jahr hat Andi Rohse viel vor: die Landesmeisterschaften zum Beispiel. Beim Landeskadertraining hat er heuer schon sein Können bewiesen. „Erster bin ich geworden beim OSB Ranglistentunier“, sagt er. Und die Schützen wissen: Bei solchen Events steckt schonmal der OSB-Landesjugendtrainer Klaus Kestler die Fühler nach Talenten aus. Der Qualifizierungsweg für die Landesmeisterschaften läuft über die Vereinsmeisterschaft im Winter und die Gaumeisterschaft im März. Derweil wird sich Ende September auf die Ranglistenturniere vorbereitet – für Jungschützen ein gutes Training.
Sie setzen auf „sportliche Bindung“
Acht bis neun Kinder trainiert Kulzer freitagabends, drei schießen mit der Luftpistole. In der Nebenfunktion ist er außerdem Gaujugend-Luftpistolentrainer. Mit der Zeit wird die Konzentration besser, Lärm und gelegentliche Sprüche blenden die Jungschützen irgendwann mit Erfolg aus. Fraglich ist aber nur, wer langfristig bleibt – und über die „magische 16“ hinaus. Dann hören einige auf – die Interessen sind andere geworden.
So ist es eben. Verbissen will man bei den 149 Mitglieder starken Adlerschützen nicht nach Nachwuchs suchen. Das wäre ohnehin nicht einfach. „Willmering entwickelt sich immer mehr zur Vorstadtsiedlung“, so Kulzers Eindruck. Neue Mitglieder lassen sich nur schwer gewinnen. Der Ansatz der Adlerschützen ist daher ein anderer: Sie setzen darauf, das Schießen langfristig als Sport zu forcieren. „Sportliche Bindung“ nennen sie es. „Mit Tradition allein überlebt der Verein nicht“, ist Martin Rohse überzeugt. Wenn die auch nicht zu kurz kommen darf.
Der Erfolg seines Sohnes macht Martin Rohse „mächtig stolz“, vielleicht auch ein kleines bisschen neidisch. „Ich selber bin ja schon eingerostet“, scherzt er. Anstelle des roten Stirnbandes mit Blende schiebt sich der Vater beim Schießen eine Papierkarte in die Brille.